Please note that Vineeto’s correspondence below was written by the feeling-being ‘Vineeto’ while ‘she’ lived in a pragmatic (methodological), still-in-control/same-way-of-being Virtual Freedom.

Vineeto’s Correspondence

Correspondent No 3

Topics covered

Human Condition, learning from the previous generation, longing for peace, authority, instincts, LeDoux, amygdala, collective eruptions of violence, war-deaths, reprogramming the brain, identity, eliminating ‘self’, eliminate the warrior, pure consciousness experience, ‘eruptions’ of the Human Condition, failure of political solutions, peace harmony and intimacy, Mr. H. Kohl’s political mistakes and achievements, unification of Germany, failure of morals and ethics, corruption, party politics, everybody against everybody and everybody for themselves, society for slowing down time, denial through meditation, ‘evil television’, slowing down instinctual reaction with apperceptiveness * mailing list, human nature, instincts and social conditioning, culture, wealth, education, elimination of instinctual program, resignation, forces of nature, weather, eternity, PCE, hope, money, luxury, Mother Earth, environmentalism, feedback, scepticism, living together, method, not blaming but investigating, diminish self, pollution in the East, liberate others from pollution of self * Only eating cake, article from Frankfurter Rundschau re hunting terrorists, no excuse for violence, globalisation, fighting hunger, overpopulation, increased use of violence in the world?, why not research peace and investigate conflicts in your own life first?,  doomsday prophesies and a worldorder for peace * instead of sad and grumpy thoughts why not focus on the interesting and wonderful experiences of being alive.

 

1.5.2000

VINEETO: Hallo,

Ich finde es eine ausgezeichnete Gelegenheit über mein Lieblingsthema – Actual Freedom – nun ausführlicher auf deutsch zu schreiben. Ich halte unsere Korrespondenz, als eine Diskussion zwischen zwei Menschen über die verschiedenen Tatsachen und Erkenntnisse der menschlichen Natur, für faszinierend und interessant genug und ich denke dass sie auch anderen möglicherweise von Nutzen sein kann.

Der englische Teil unserer dicken Webseite (http://www.actualfreedom.com.au) enthält bereits zahlreiche Korrespondenz und ausführliche Diskussionen zu sozialen, psychologischen und ontologischen Themen wie z.B. Bewusstsein, Emotionen, Instinkte, Frieden, Zusammenleben, Moral, Fakten und Vorstellungen etc. und Berichte wie man sich von der ‘Human Condition’ endgültig befreien kann.

Hier möchte ich eine etwas spezifischere Beschreibung der ‘Human Condition’ einfügen, da die deutsche Übersetzung ‘menschliche Natur’ nicht ganz akkurat ist:

‘Human Condition’ ist ein allgemeiner Begriff für uns Menschen, wie wir sind, in der Welt wie sie ist. Sie besteht aus einer Zusammensetzung von Glaubensvorstellungen, Konditionierungen und instinktiven Leidenschaften, die die Basis bilden für gewohnheitsmäßige und neuro-biologische Programm, nach dem Menschen heute funktionieren – und ohne wesentliche Änderungen seit der Entwicklung der menschlichen Rasse. Man kann die ‘Human Condition’ mit ‘Spielregeln’ vergleichen welche Rahmen und Grenzen dessen bestimmen, was es seit Tausenden von Jahren bedeutet Mensch zu sein. Diese Regeln zementieren sowohl unser instinktives Verhalten als auch die religiösen, moralischen und ethischen Vorstellungen, die von unseren Vorfahren an uns weitergeleitet wurden und die dadurch unser geschlechtliches, stammesrechtliches und weltliches Konzept von vorneherein ein festlegen. Die ‘Human Condition’ wird als ein fester Zustand angesehen in einem solchen Ausmaß dass man es generell für gegeben annimmt dass ‘man die menschliche Natur nicht ändern kann’.

VINEETO: Speziell in Diskussionen mit dir bin ich mir bewusst, wie sehr jede Generation auf den Schultern der vorherigen Generation steht, wie sehr positive Erfahrungen und das Lernen aus Fehlern von Generation zu Generation verwendet werden kann und Weiterentwicklung ermöglicht. Allerdings darf man nicht in dummen Autoritätsgefechten stecken bleiben, was nach meinen Erfahrungen ein scheinbar unumgänglicher ‘Stein des Anstoßes’ für fast jeden Menschen ist, Teil der menschlichen Natur. Ich habe diese Art von emotionalen Auseinandersetzungen jedenfalls zum Überdruss ausgefochten und treffe das Autoritätsproblem jetzt bei vielen Kommunikationspartnern wieder an. Die Untersuchung und Beseitigung meiner eigenen Autoritätshörigkeit und der sinnlosen Rebellion gegen äußere Autoritäten war mir vorrangig und mit die erste wichtige Aktion nachdem ich mich entschlossen hatte, mich ernsthaft und aktiv von den Problemen der menschlichen Natur zu befreien.

Einer der wichtigsten Erbstücke, das ich – und wahrscheinlich meine ganze Generation – von euch und der vorherigen Generation mitbekommen habe, ist das Bedürfnis nach Frieden, richtigem, echten, aufrichtigem und dauerhaftem Frieden. Geboren nach dem zweiten Weltkrieg und aufgewachsen in einer Zeit des kalten Krieges hat diese Sehnsucht mich begleitet und meine Suche gelenkt. Sie blieb nicht nur beschränkt auf den Frieden zwischen den Völkern, sondern drückte sich aus in meiner Suche nach dem sogenannten ‘inneren’ Seelenfrieden und dem anhaltenden Bedürfnis, mit einer Person des anderen Geschlechts in täglichem Frieden zusammenzuleben. Auf meiner Suche nach Frieden bin ich in den letzten drei Jahre erhebliche und sichtbare Schritte vorangekommen.

VINEETO: Nun zu deinem Brief –

RESPONDENT: Doch zuerst noch ein Nachtrag über die tiefere Natur des Menschen, seinem uralten grundlegenden Charakter. Er scheint mir ein in Teilschichten besänftigtes Raubtier. Jedenfalls ein Spross aus dem viele Millionen Jahre währenden pflanzlich-tierischem Leben. Mit mehr Gegengewicht, kreativ, zivilisations- und kulturfähig, doch das alte, fundamentale Leben bildet die Grundlage. Es zeigt sich in gelegentlichen individuellen und auch kollektiven Eruptionen.

VINEETO: Ja, das sehe ich auch so, wobei ich ‘gelegentlich’ für ziemlich untertrieben halte. Das ‘alte fundamentale Leben’ nenne ich die menschlichen Ur-Instinkte, die wir von unseren tierischen Vorfahren ererbt haben. Empirische Wissenschaftler, vor allem der Amerikaner LeDoux und seine Kollegen haben interessante Forschungen angestellt über die automatischen instinktiven Reaktionen, wie im menschlichen Gehirn Information weitergeleitet wird und chemische Substanzen und infolgedessen Emotionen erzeugt werden. Er hat vor allem unser Angstverhalten untersucht und festgestellt, dass die Information von den Sinnesorganen im Thalamus in zwei Ströme geteilt wird – ein Strom geht in die Amygdala, das alte Reptilien-Hirn und ein Strom geht in den Neo-Kortex, das sogenannte Neu-Hirn. Die Informationszufuhr in das Reptilien-Hirn ist mit 12 Millisekunden doppelt so schnell wie der Nachrichtenstrom in den Neo-Kortex, den kognitiven Teil des Gehirns. Außerdem wird dem Reptilien-Gehirn weniger Information zugeleitet – als schneller erster Radar untersucht es Gefahr oder eine gute Gelegenheit und daher wird der (Entscheidungs-)Prozess als der ‘schnelle und schmutzige’ Weg beschrieben.

Die Information, die in das kognitive Neu-Hirn weitergeleitet wird ist wesentlich ausführlicherer, aber auch beträchtlich langsamer (25 Millisekunden), und hat damit nur sekundären Einfluss auf das Verhalten, da das Gehirn normalerweise schon automatisch auf die erste ‘schnelle und schmutzige’, d.h. weniger ausführliche und emotional-geladene Nachricht reagiert hat. Diese Untersuchungen sind äußerst hilfreich wenn man tatsächlich, in praktischer Anwendung, etwas an der eigenen menschlichen Natur ändern will.

‘Kollektive Eruptionen’ beinhalten noch einen zusätzlichen Faktor – durch das instinktive Verhalten anderer werden die eigenen Instinkte angeregt und verstärkt, da die Gruppe in der Vergangenheit ein wesentlicher Bestandteil unseres Überlebens darstellte und das Gehirn zusätzlich zu den eigenen Erfahrungen auch kollektive emotionale Erfahrungen speichert oder dafür äußerst empfänglich ist. Man kann es auch den Herdentrieb nennen. Vernünftiges, durchdachtes Handeln bleibt dabei unumgänglicher auf der Strecke. Das hat sich leider auch im letzten Jahrhundert, trotz aller Entwicklung der Technologie und Zivilisation nicht geändert. Im Gegenteil. Durch die Entwicklung der Technik hat sich auch die Effektivität des Tötens erhöht – das letzte Jahrhundert war bei weitem das blutigste von allem, wie du sicher weißt. Der folgende Graph macht das sehr deutlich.

War deaths have risen dramatically in the 20th century.

*There is no information available for number of deaths per 1,000 people in the 1st-15th centuries.

**20th century data is up to 1995.

(Source: William Eckhardt, ‘War-Related Deaths Since 3000 BC,’ Bulletin of Peace Proposals, December 1991 and Ruth Leger Sivard, World Military and Social Expenditures 1996)

Wenn man sich jedoch bewusst macht, dass das Gehirn eines jeden Menschen auf die oben beschriebene Weise funktioniert, sozusagen gemäß eingebautem Programm, dann kann man das menschliche Verhalten auf eine neue Weise verstehen und bewerten. Es ist somit nicht der persönliche Fehler eines einzelnen oder einer Gruppe, die ‘aus dem Rahmen gefallen’ sind, sondern ein historisches animalisches Überbleibsel das jetzt – mit bewusster Entscheidung, ernsthafter Planung und ehrlicher Veränderung – als gesamtes Programm gelöscht werden kann. Nicht dass damit gewalttätiges oder nachlässiges Verhalten entschuldigt würde, aber es macht arrogante moralische Verurteilung sinnlos, da jeder mit derselben Krankheit geschlagen ist. Durch ein de-automatisieren, durch Verlangsamen und Bewusstwerden der ersten automatischen instinktiven Reaktion jedoch kann man allmählich das eigene Gehirn re-programmieren, ‘reparieren’ und ein nicht-instinktives, intelligentes und sensibles Verhalten herbeiführen.

Für die meisten Menschen ist das allerdings eine unattraktive Lösung, da unsere aller-eigenste Identität und innerstem Wesen, mit anderen Worten unsere ‘unsterbliche Seele’, unzertrennlich mit den grundlegenden Instinkten verbunden sind. Diese animalischen Instinkte bilden die Basis für die Entwicklung unseres Selbst, wer man denkt und vor allem fühlt man ist, und dieses Selbst etabliert sich im Laufe der ersten 10 Jahre zur sogenannten persönlichen Identität, komplett mit Rollenverhalten und individuellen Eigenheiten.

Die Entscheidung, sein Selbst, seine Seele und seine tiefsten Instinkte zu beseitigen ist ein Akt, den jeder nur für sich selbst treffen kann, und den jeder nur für sich selbst ausführen kann. Dieser Entschluss bedeutet dass ich aktiv, tatsächlich und praktisch etwas zum Frieden hier auf Erden beitragen kann indem ich als Individuum in mir die Möglichkeit und Notwendigkeit, Krieg zu führen – oder Konflikte zu erzeugen und aufrechtzuerhalten – beseitige. Ohne eine Identität, ohne die tiefsitzende Vorstellung einer separaten emotional-instinktiven Wesenheit herrscht Frieden, nicht auf Grund eines Waffenstillstands- oder Friedensvertrages, (der jederzeit aufgehoben werden kann), sondern weil der Kriegsführer verschwunden ist. In einigen, exquisiten und reinen Augenblicken, von denen sich manche über Stunden ausdehnten, habe ich die Abwesenheit eines instinktiven Selbstes erlebt und somit erfahren, was möglich ist. Jeder Mensch hat solche Erfahrungen von Reinheit und Perfektion, im Einklang mit der Welt, außergewöhnlicher Klarheit und erhöhter Sensitivität. Abraham Maslow hat diese Momente als ‘peak experiences’ oder Sternstunden beschrieben.

Das ist mein Ziel, das macht mein Leben reich und voll und Erfolg und anhaltendes Wohlbefinden und Harmonie haben sich bereits eingestellt.

RESPONDENT: ‘Risiken bleiben. Siehe Anlagen’

VINEETO: Die Anlagen enthalten einen Artikel über Drogen- und Arzneimittelmissbrauch in Australien und einen Bericht über den Völkermord in Kosovo mit dem Vorschlag eines Völkermordfrühwarnsystems, ferner einen Bericht über eine Gesellschaft gegründet zur ‘Verlangsamung der Zeit’.

Das Risiko, wie ich es sehe, heißt die ‘Natur des Menschen’, the Human Condition. Wissenschaftliche Untersuchungen untermauern immer deutlicher die Tatsache, dass Menschen tatsächlich mit gewisser instinktueller Vorprogrammierung in der DNA geboren sind und nicht, wie viele, vor allem östlich inspirierte Religionsvorstellungen uns gerne glauben machen, als unschuldige Kinder zur Welt kommen und dann von Eltern und Gesellschaft ‘verdorben’ werden. Diese Grundinstinkte hat man vielfach kategorisiert als Angst, Aggression, Verlangen und Fortpflanzung (einschließlich instinktiver Fürsorge für Kinder, Familie, Land und Volk).

Jeder Mensch, wenn er/sie unter Druck kommt, kann solche ‘Eruptionen’ seiner/ihrer Instinkte am eigenen Leib erfahren, und nur unser durch Religion unterstütztes Moralsystem und die vereinte Staatsgewalt von Polizei, Gesetz und Armee hält solche ‘Eruptionen’ einigermaßen in Schach halten. In Anbetracht dessen was in jedem Menschen an Potential brodelt, funktioniert dieses System allerdings erstaunlich gut. Von Frieden kann natürlich keine Rede sein, was deine Artikel in der Anlage beweisen. Die täglichen Nachrichten sind weitere deutliche Zeugen.

Für meinen persönlichen Standard war dieses System nicht genug, ich wollte einen zuverlässigeren, dauerhaften und bedingungslosen Frieden. Ich suchte nach einem Zustand wo ich weder von außen, durch Gesetze und generelle Regeln, noch von innen, durch Gottesfurcht, Moral und Ethik, in Schach gehalten werden musste. Und ich habe es gefunden – Freiheit von der menschlichen Natur. Nicht ein Hinbiegen des Problems, sondern radikale Beseitigung der Ursache.

In meinen Experimenten als Studentin mit linksextremer Politik, mit Feminismus und Sozialarbeit bin ich relativ früh zu der Erkenntnis gekommen, dass man andere Menschen nicht ändern kann, d.h. weder ‘politische’ noch erziehungsmäßige Lösungen stellen befriedigende Lösungen dar. Leider habe ich diese Erkenntnis bis vor drei Jahren nicht auf meine Zweierbeziehung angewandt – es brauchte zwei weitere Jahrzehnte um der anhaltenden Machtkämpfe zwischen Mann und Frau überdrüssig zu werden und die unzerstörbaren Harmonie und Intimität zu erreichen, die wir jetzt miteinander haben.

VINEETO: Zu deinen Anmerkungen bezüglich des Artikels von Jonathan Eyal über Helmut Kohl’s Politik und ‘Fehltritte’ habe ich wenig beizutragen. Du weißt wesentlich besser Bescheid was sich vor und hinter den Kulissen abspielt. Ich habe den Artikel geschickt weil Mr. Eyal zu der ganzen mir relativ undurchdringlichen und unverständlichen Auseinandersetzung eine erfrischende nicht-deutsche Übersicht und mir nützliche neue Informationen gab. Ich hatte z.B. nicht gewusst wie sehr Frankreich an der Wiedervereinigung der beiden Deutschlands interessiert war.

Als ich noch in Deutschland lebte, habe ich Wiedervereinigung als eine eher nostalgische Idee abgetan. Jetzt, vor allem nach Filmberichten und einer größeren Übersicht beurteile ich die Zusammenlegung der beiden Deutschlands für alle Beteiligten die bessere, praktischere und pragmatischere Lösung. Mit der Auflösung der Sowjet-Staaten und Lockerung der Grenzen wären sehr, sehr viele Ostdeutsche in die BRD eingewandert – so wie jetzt auch – was ohne die Zusammenlegung der Staaten mehr Platzmangelprobleme erzeugt hätte als es eh schon gibt. Jetzt gibt es wenigstens das – bisher noch wenig entwickelte – östliche ‘Hinterland’, um langfristig eine ökonomische Grundlage für alle Bewohner der ehemaligen zwei deutschen Staaten zu schaffen. Außerdem konnte ich mir auch keine andere Auflösung des Berlinproblems ausdenken, das praktischer gewesen wäre. Helmut Kohl hat, wie auch J. Eyal zustimmt, nicht die richtigen Methoden angewendet. Nichtsdestotrotz denke ich heute – anders als vor 20 Jahren – dass er mit der Wiedervereinigung der beiden Deutschlands etwas erreicht hat was vielen Menschen einen besseren Start für ein Leben nach ihrer eigener Wahl ermöglicht.

VINEETO: Du sagst u.a. über 20 Jahre CDU Politik –

RESPONDENT: Das Leben in der Bundesrepublik blieb erträglich. ... doch die Oberschicht hat ‘den Rahm’ abgeschöpft .

VINEETO: Glaubst du wirklich, wo du die Partei deiner Wahl seit langen Jahren kennst, sowohl in der Regierung und als auch in der Opposition, dass es anders wäre wenn sie in den letzten 20 Jahren an der Macht gewesen wären? Dass diese Menschen durch ihre leicht veränderte politische Überzeugung gefeit sind gegen Gier, Machtmissbrauch, Heuchelei, Cliquenmacht oder Bestechung gegen Gefälligkeiten? Dass nicht statt der ‘Oberschicht’ dann die Gewerkschaftselite den Rahm abgeschöpft hätte. Aus eigener Erfahrung weiß ich dass politische oder weltanschauliche Meinung keine Garantie gegen die instinktiven Triebe darstellt, die unser Grundprogramm bilden.

In Politik, vor allem in Parteienpolitik geht die Diskussion viel um Recht und Unrecht, richtig und falsch und jeder klagt die Gegenpartei an das Unrecht zu tun. Im Rahmen meiner Erfahrungen mit der menschlichen Natur, die ich in mir wie in jedem anderen in Aktion sehe, macht es keinen großen Unterschied, wer im Recht oder Unrecht ist, so lange jeder den Fehler beim anderen sucht. Wie schon gesagt, ist jeder getrieben von den Grundinstinkten ‘Angst, Aggression, Fürsorge und Verlangen’ und das drückt sich im großen und ganzen aus in all den Tatsachen die du aufgezählt hast –

  • diktatorische oder Cliquenmacht
  • Verstoß gegen fairen Wettbewerb

  • Horten steuerfreier Spenden

  • Anonyme Konten in anderen Staaten

  • Persönliche Bereicherung

  • Machtmissbrauch durch Überfluss an verfügbaren Mitteln

  • Beugung der Gesetze (ungerechte Überwachung als Schiedsrichter)

  • Machtmissbrauch (machtvolle Spielergruppen beherrschen das Spielfeld

  • Gier (einseitige Vermögens- und Einkommensverteilung)

RESPONDENT: Wie steht’s damit in Australien?

VINEETO: Soweit ich es sehen kann ist es hier genauso und in jedem anderen Land auch. Die westlichen Länder, Westeuropa, USA, Australien, scheinen mehr subtiler, unter der Hand und zivilisierter vorzugehen, während andere Länder, wie Kosovo oder afrikanische Staaten direkt zum Messer greifen. Jedoch dieselben Grundregeln gelten überall – jeder gegen jeden und jeder für sich selbst.

Es war hart für mich solchen Tatsachen in die Augen zu sehen als ich nach Jahren von ‘Kopf unter der Decke’, Innenschau und ‘die Welt nicht sehen wollen’, wieder angefangen habe Nachrichten und Film-Berichte zu sehen und das Elend in der Welt zur Kenntnis zu nehmen. Bei all den netten Meditationen im isolierten Ashram hatte ich es bequemerweise vergessen. Allerdings war ich erst in der Lage, diesen Tatsachen ohne den üblichen emotionalen Filtern ins Auge zu sehen als ich eine Lösung hatte die funktioniert – eine radikale und unwiderrufliche Veränderung meines Verhaltens, das jede, auch die kleinste Form von Bosheit, Aggression, Kampfeslust, Verurteilung und Vorwurf in mir auslöscht. Und es funktioniert. Zuverlässig. Dauerhaft. Aber jeder kann es nur für sich selbst und an sich selbst tun.

Übrigens denke ich nicht, wie der katholische Bischof in Michael Grabenströer’s Artikel über die Verzögerung der Zeit, dass Fernsehen ein ‘Zeitdieb’ ist. Die Informationen, die man über Fernsehen und Internet bekommen kann, sind faszinierend vielfältig und geben einen fantastischen und beindruckenden Überblick. Das Gefühl, dass Fernsehen Übel ist, ist eine Erfindung so alt wie das Fernsehen selbst, erfunden von denen die das ‘Rad der Zeit’ zurückdrehen wollen zur sogenannten ‘guten alten Zeit’ als man noch nicht per Fernsehen erfahren konnte was Menschen anderen Menschen antun auf diesem wunderschönen blauen Planeten.

Der Artikel sagt: ‘Bei aller Entschleunigung geht es letztlich um einen ökonomischeren, (Lebens-) Qualität steigernden Umgang mit der Zeit.’

Eine ausgezeichnete Idee – wenn man Zeit seiner Reaktion zwischen dem ersten Impuls auf die Amygdala und damit dem eigenen instinktivem Handeln verzögert, nimmt man sich damit Zeit zum intelligenteren Nachdenken und sensibleren Handeln oder Reden, bevor man automatisch, emotional-instinktiv reagiert. So kann man dem ‘Gesetz der schnellen und schmutzigen Reaktion’ entgehen. Das würde auf jeden Fall sowohl die eigene ‘Lebensqualität’ als auch die anderer Menschen, mit denen man in Kontakt kommt, erheblich steigern. Ich weiß das aus eigener andauernder Erfahrung. Man wird glücklich und ohne Harm.

VINEETO: Na, das war wohl der längste Brief, den ich je geschrieben habe. Es war auch seit meinem Diplom der längste und im ganzen der beste deutsche Aufsatz den ich je geschrieben habe. Im Verlauf des Schreibens habe ich mich mit dem deutschen Sprachgebrauch und der deutschen Satzstruktur wieder vertraut gemacht nach all den englischen Briefen die ich letztlich geschrieben habe. Trotzdem würde ein Deutschlehrer den Aufsatz höchstwahrscheinlich mit ‘Thema verfehlt’ bewerten. Was denkst du?

Es hat Spaß gemacht. Wir können die Diskussion gerne weiterführen wenn du Interesse hast. Wenn wir die angeschnittenen Themen unter fünfzehn halten, wird es vielleicht weniger lang. (Das war nicht ernst gemeint.) Da ich im Moment wenig arbeite, habe ich Zeit für lange Briefe. Und mein deutsch wird auch besser bei dieser Gelegenheit...

27.9.2000

VINEETO: Danke für deinen ausführlichen Brief. Es freut mich, dass es so viele gemeinsame Interessensbereiche zum Gedankenaustausch haben. Jetzt, nachdem ich meine eigenen, selbstbezogenen Sorgen und Probleme gelöst habe, kann ich mich mit weitreichenderen Themen befassen, welche die menschliche Natur und Frieden auf Erden betrifft, für alle die daran interessiert sind. Wir haben einen regen Austausch zu diesem Thema über das Internet in einem Brief-Forum und es macht großen Spaß, mit Menschen aus allen Teilen der Erde zu kommunizieren (hauptsächlich Europa, Australien und USA). Ein paar experimentieren schon mit der Methode, die Peter in seinem Buch beschrieben hat und berichten von Erfolgen in ihrem Leben im Umgang mit ihrer eigenen menschlichen Natur. Es funktioniert also nicht nur im Einzelfall für Peter und mich, sondern für jeden, der Mut, Beständigkeit und ehrliche Absicht einsetzt.

Natürlich gibt es auf jede Menge Leute, die nichts von neuen Erkenntnissen oder Methoden wissen wollen, die alles beim alten lassen wollen, ‘da es schon immer so war’ und da die uralten hochverehrten Lehrer und Weisen es so gesagt haben. Aber das macht gar nichts. Was wir untenehmen ist eine spürbare, tatsächliche Veränderung der menschlichen Natur in uns selbst, basierend auf harten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Fakten, keine Phantasie oder Glaubensphilosophie, die durch Skeptiker umgeblasen werden könnte. Ich denke da an einen Vergleich mit Galileo Galilei, der für seine Entdeckung, dass sich die Erde um die Sonne dreht, von der Kirche unter Hausarrest gesetzt wurde und unter Androhung der Todesstrafe seine Entdeckung öffentlich widerrufen musste. Er soll dabei gesagt haben, dass sich die Sonne allerdings nicht an diese Widerrufung der Tatsachen halten würde. Es sollte allerdings noch weitere 400 Jahre dauern bis das Oberhaupt der katholischen Kirche auch zu dieser Einsicht kam und Gottes Wort korrigierte.

RESPONDENT: Du hast dir eine ‘dicke Nuss’ – mit harter Schale – vorgenommen: die menschliche Natur. Sicher gibt es so was, trotz aller individuellen Besonderheiten.

VINEETO: 1. die menschliche Natur im allgemeinen

Es sind die Ur-Instinkte, die ererbten animalischen Triebkräfte, die jeder menschlichen Natur und damit allen menschlichen Verhaltensweisen zugrunde liegen. Diese empirische Erkenntnis der Wissenschaft ist relativ neu – Joseph LeDoux und seine Kollegen haben verschiedene Nachweise über unsere instinktiven Reaktionen erbracht. Die allgemeine Meinung ändert sich jedoch nur sehr langsam, besonders da es nicht mit unserem Stolz als intelligente menschliche Wesen einhergeht primär von Überlebensinstinkten geprägt zu sein.

2. die individuellen Besonderheiten

Man kann sagen, dass die Individualität eines jeden Menschen sich aus sozialer und kultureller Prägung zusammensetzt sowie aus einem Selbstverständnis das sich jeder im Laufe der Jahre aneignet und das er/sie trägt wie eine zweite Haut. Dazu gehören geschlechtsspezifische Eigenheiten, Nationalität, Rasse, Beruf, Klasse, religiöse oder philosophische/ weltanschauliche Ausrichtungen.

Ich fand, dass diese Eigenheiten einerseits sehr prägend sind für das individuelle Selbstverständnis, jedoch bei genauerer Untersuchung ist es gerade dieses individuelle Selbstverständnis das eine direkte Beziehung zu anderen Menschen erheblich erschwert, da jeder ausschließlich seine eigenen, meistens sehr gefühlsmäßigen Anschauungen sieht und rechtfertigt. Inzwischen erlebe ich als so viel intelligenter and verlässlicher, mich auf nachweisbare Fakten zu beziehen. Außerdem lebt es sich sehr viel leichter ohne die Bürde einer persönlichen Individualität, die man ständig meint verteidigen oder polieren zu müssen um sein ‘wahres Ich’ zum Ausdruck zu bringen. Das Beseitigen dieser sozialen Identität geschah natürlich nicht auf Knopfdruck, sondern war ein langsamer und gründlicher Prozess der Selbsterforschung und ein bewusstes Herausschlüpfen aus jedem Rollenverhalten das ich in mir entdeckte.

RESPONDENT: Ein Drittes: es ist mit einem Prozess der Bewusstheit und Reifung zu rechnen, hin zu besserer Selbstkontrolle. Durch Erfahrung, wiederholte Vorfälle, Erschrecken über sich selbst, über Leiden, Abschwächung von Triebkräften, Verstärkung kultureller Momente.

VINEETO: Ich vermute dass du hier von deiner persönlichen Erfahrung und Entwicklung Schlüsse ziehst, die auf einen allgemeinen geschichtlichen Prozess hinweisen könnten. Allerdings weist die Geschichte der letzten dreitausend und mehr Jahre darauf hin, dass diese Besserung nicht unweigerlich zu erwarten ist durch ‘Erfahrung, wiederholte Vorfälle, Erschrecken über sich selbst, über Leiden, Abschwächung von Triebkräften, Verstärkung kultureller Momente’. Wie du vielleicht noch erinnerst, haben alle Kinder eine große Abneigung, von der Erfahrung der Älteren zu lernen, und Jugendliche wollen immer erst mal eine Revolution veranstalten um alles anders zu machen. Ein Abschwächen der Triebkräfte findet erst in spätem Alter statt, wenn der Schaden schon angerichtet ist. Das Erschrecken über sich selbst scheint mehr eine individuelle Angelegenheit zu sein, zumindest hat dieses Erschrecken nicht in einer offensichtlichen Weise zu friedlicherem Verhalten der Menschen untereinander geführt. Der Einfluss ‘kultureller Momente’, d.h. die Weitergabe von Moral und Ethik, hat meiner Beobachtung nach deutliche Grenzen, die sich darin zeigen, dass Polizei, Gefängnis und Armee in den entwickelten Ländern in keiner Weise überflüssig geworden sind.

Man kann allerdings eine Beziehung beobachten zwischen ökonomischem Wohlstand und Verminderung von Chaos and Gewaltanwendung – je reicher das Land, d.h. je wohlhabender der Durchschnitt seiner Bewohner, um so mehr hat jeder zu verlieren wenn Krieg oder Anarchie ausbrechen, um so besser ist die generelle Erziehung und um so mehr haben die Menschen Kontakt mit anderen Ländern durch Handel, Unterhaltungsmedia und Internet.

Der Prozess der Bewusstheit und Reifung mag im einzelnen stattfinden durch Anreicherung von Erfahrung, Ausweitung des Gesichtskreises und Erschrecken über sich selbst, muss aber von jeder Generation neu durchlebt werden, da die zugrundeliegende Programmierung animalischer Instinkte bisher nicht in Betracht gezogen und damit auch nicht Angriff genommen wird.

RESPONDENT: Auch die Erziehung (Mutter-Kind, Vater-Kind, Kindergarten, Schule, mit je 1000 einzelnen Aspekten bieten Ansätze) bringt ihre Beiträge zur Formung besserer Gefühlswelt, leitender Ideen, wohltuender Umgangsformen (mit sich selbst, den Nächsten und fernstehenden Personen).

VINEETO: Als ich zur Universität ging und das Fach Sozialarbeit und Erziehung wählte, hatte ich die Idee und das Ideal dass eine Veränderung oder Verbesserung der Gesellschaft auf erzieherischer Ebene möglich sei. Während des Studiums kamen die ersten Zweifel, und spätestens nach zwei Jahren aktiver Drogenarbeit im Drop-In in Frankfurt wurde mir die Hoffnungslosigkeit eines allgemein angewendeten Erziehungs-Ansatzes deutlich vor Augen geführt. Solange der einzelne nicht durch seine eigene brennende Unzufriedenheit mit seinem gegenwärtigen Zustand motiviert und infolgedessen bereit ist, aktiv etwas in sich selbst zu verändern, muss jeder Ansatz wohlmeinender anderer Leute, ihn zum Besseren zu ‘erziehen’, scheitern. Das einzige was man wirklich weitergeben kann ist Information – was der einzelne damit anfängt liegt nur in seiner Hand.

Natürlich leisten Eltern und Erzieher ein erstaunliches Maß an bemerkenswerter Arbeit mit relativ gutem Erfolg, indem sie die jeweils nächste Generation zu gesetzestreuen Bürgern erziehen. Sie tragen damit in erheblichen Maße zur verhältnismäßigen Ruhe und zum Wohlstand des jeweiligen Landes bei. Solch moralische und ethische Erziehung ist zwar unumgänglich, aber nur teilweise wirksam, gemessen an der Polizei, Justiz und sozialen Institutionen, welche letztendlich die Ruhe und Ordnung des Landes aufrechterhalten. Da die zugrundeliegende Programmierung animalischer Instinkte nicht in Betracht gezogen und damit auch nicht Angriff genommen wird, ist der Sozialisierungsprozess lediglich ein Deckel auf einem brodelnden Vulkan, der unter den ‘richtigen’ Umständen jederzeit ausbrechen kann. Abendliche Nachrichten erbringen genügend Nachweise.

Tatsache ist dass sich jeder nur allein von seinem innersten Kern dieser genetischen Programmierung befreien kann durch einen gründlichen Prozess der Selbsterforschung, bewusstem Herausschlüpfen aus dem jeweilig erforschten Rollenverhalten und letztendlich durch eine endgültige Auflösung seiner eigenen psychologischen und seelischen Identität. Was bleibt ist ein perfekt funktionierender, intelligenter, sensitiver und bewusster Körper ohne instinktives Zwangsverhalten, selbstbezogene Kurzsichtigkeit oder Gefühlen von Einsamkeit, Angst, Wut oder Abgeschnittensein. Die großartige Vollkommenheit des unendlichen Universums, welches sich ständig um uns herum entfaltet, wird dann erst wirklich offensichtlich.

RESPONDENT: ‘Es ist so wie es ist,’ hieß es am Dorf. Darin kommt ein Staunen zum Ausdruck. Angesprochen sind damit Gegebenheiten, die über lange, lange Zeiten gleich sind oder nahezu gleich ablaufen. Missliche soziale Prozesse, in Ehe, Familien, Dörfern, am Feld, im Stall, im Wald. Trotz viel guten Willens und mancher freundlichen Seite der Natur. Dahinter wirken letzten Endes die Prozesse im Kosmos in die wir eingebunden sind.

VINEETO: ‘Es ist so wie es ist und es wird immer so sein, weil es schon immer so war’ ist eine ziemlich akkurate Beschreibung menschlicher Resignation dem Leben wie es ist gegenüber, eine Resignation, die davon ausgeht, dass man die menschliche Natur nicht ändern kann, ‘weil es schon immer so war’. Im Prozess, meine Sozialisierung zu erforschen, ans Licht zu bringen und unwirksam zu machen und während der Untersuchung meiner animalischen Instinkte bin ich oft auf eine Angst vor Veränderung in mir gestoßen, die in dem Augenblick unüberbrückbar schien. Nicht nur schwimme ich gegen den Strom meiner eigenen natürlichen Überlebensinstinkte, sondern auch gegen die Überzeugung und die Instinkte aller anderen Menschen. Wirkliche Veränderung ist ‘gegen die menschliche Natur’ und die meisten ziehen Resignation in der einen oder anderen Weise vor.

Was du die ‘Prozesse im Kosmos in die wir eingebunden sind’ nennst, ist zum größten Teil wiederum die menschliche Natur – und als solche, trotz gegenteiliger Überzeugung, veränderbar. Wenn Menschen in der Lage sind in Frieden und Harmonie miteinander zu leben, dann wird der Umgang mit Naturkatastrophen ein einfaches Unterfangen sein. Schon heute kann man im Fernsehen sehen wie z. B. die Amerikaner alle technischen Mittel und die Organisationsfähigkeit zu Verfügung haben, mit Feuer, Überschwemmung, Erdbeben, Lawinen, Tornados und Vulkanausbrüchen umzugehen, so dass oft nicht ein einziges Menschenleben verloren wird, während Menschen z. B. in Indien, Venezuela oder Kenia hilflos den Naturkräften ausgesetzt sind. Ich will damit andeuten, dass das technische Wissen schon heute vorhanden ist, womit Menschen sich vor solchen Ereignissen schützen oder damit umgehen könnten, wenn nicht Kriege, Völkermorde, Hunger, Korruption, Überbevölkerung, Machtkämpfe, Nationalismus und Selbstsüchtigkeit, die alle ihren Ursprung in den instinktiven Trieben haben, einer gesunden technischen, ökonomischen und kulturellen Entwicklung von Völkern und Menschen im Wege stünden.

Um ein Beispiel aus meinem eigenen ereignislosen Leben zu bringen – ich kann mich jeden Morgen über das Wetter beschweren und meine Einflusslosigkeit auf Regen oder Sonne wird sich nie ändern; oder ich kann in mich schauen und erforschen warum ich in solch miserabler Stimmung bin und dann die Entschuldigung beim Wetter suche. Dasselbe gilt für unvermeidliche Krankheiten oder dumme Unfälle, man braucht die Situation nicht noch erschweren durch Beklagen – im Gegenteil. Wenn ich vollends im Einklang bin mit der Tatsache dass ich lebendig bin, hier auf dieser Erde, wenn ich mich bewusste entscheide, mich nicht andauernd über meine Existenz zu beklagen, dann ist alles was passiert eine Herausforderung, ein Abenteuer, ein Spiel und fast immer ein Genuss. Im Grunde genommen ist das nur eine konsequente Befolgung des guten alten Ratschlages sich nicht so wichtig zu nehmen. Allerdings gehört noch wesentlich mehr dazu als ‘sich am Riemen zu reißen’, wenn man diesen alten Ratschlag ehrlich und integer einhalten will.

RESPONDENT: Doch durch die Astronomie, Physik, Chemie, Geologie usw. erkennen wir, dass es keine Ewigkeit gibt. Alles, alles ändert sich, ist Wandlungen unterworfen. Nur das Tempo der Veränderungsprozesse ist unterschiedlich.

VINEETO: Ich nehme an dass du mit ‘Ewigkeit’ hier Beständigkeit meinst.

Ewigkeit, wie ich es verstehe, ist eine andere Geschichte. Das physische Universum ist unendlich und ewig, d.h. es hat keine physische Begrenzung und hat weder Anfang noch Ende, es war immer schon da. Es gibt Momente, manchmal dauern solche Momente Minuten, manchmal Stunden, wenn ich die Ewigkeit dieses unendlichen Universums erfahre als die Tiefe die jeder erlebte Augenblick enthält, wenn man alles was existiert als einen natürlichen zusammenhängenden ständig wechselnden Organismus erlebt, weil die eigene normalerweise all-gegenwärtige Selbstbezogenheit für einige Zeit verschwindet. Manchen nennen diese Momente Sternstunden.

Zauber und vielfältiger Reichtum kann sich z. B. derart eröffnen dass man einen Tisch betrachtet und sich bewusst wird dass dieser Tisch einmal als Baum in einem Wald stand, selbstgesät oder gepflanzt von einem unbekannten Menschen, jemand hat den Baum gefällt, in Scheiben geschnitten, poliert, ein anderer hat das Rohmaterial in einen Tisch verwandelt, vielleicht in einem anderen Land. Dann wurde er gekauft, verschifft, gehandelt, weitergereicht, transportiert, bis er letzten Endes in dieser Wohnstube landete. Hunderte von Menschen hatten möglicherweise etwas mit diesem Tisch und dem originalen Stück Holz zu tun, und das ist nur eines der vielen Dinge um uns herum. Alles hat eine Geschichte und diese Geschichte ist noch nicht zu Ende. Der Tisch altert, eines Tages wird er vielleicht zu Spielzeug umgebaut, oder er wird Feuerholz, oder Kompost... Dinge und Moleküle reorganisieren sich im ständigen Umlauf, nichts um mich herum ist statisch, es ist ‘lebendig’ auf eine Weise dass sich alles jederzeit verändert, neu formt, endet und neu entsteht. Und diese Veränderung ist ewig, sie hört nie auf.

RESPONDENT: Das gilt wohl auch für die ‘menschliche Natur’. Es ist so geworden, mit vegetativen und animalischen Grundlagen, doch diese werden überformt und nach und nach abgewandelt.

Eine Konditionierung für ewig gibt es meines Erachtens nicht. Aber wir brauchen Geduld, eine langen Atem. Das Prinzip Hoffnung muss uns leiten. Zwischenzeitlich müssen wir viel Verständnis aufbringen, viel Nachsicht, müssen Verzeihen lernen und dürfen den Glauben an uns selbst nicht verlieren. Vor allem ist zu beachten, dass neben dem Streben zum Besseren viele Einflüsse der Zivilisation wirken, Verlockungen, Verfälschungen. Wichtige Aktivitäten dienen nicht er ‘Humanisierung’.

VINEETO: Diese ‘Konditionierung für ewig’ hat allerdings schon sehr lange angehalten. Menschen versuchen seit Jahrtausenden durch ethische und religiöse Erziehung Kontrolle über die eigenen menschlichen Instinkte und die Instinkte anderer zu erlangen und sind trotzdem nur bis zum derzeitigen Grade von Waffenstillstand gekommen der allenthalben mit Waffengewalt aufrecht erhalten werden muss.

Statt dem ‘Prinzip Hoffnung’ verlasse ich mich lieber auf neue empirische wissenschaftliche Erkenntnisse – die Entdeckung der menschlichen instinktiven Triebe – und weiterhin der allerneuesten Entdeckung, dass man diese Triebe in sich, jeder für sich selbst, gänzlich beseitigen kann. Aufgrund dieser Tatsachen brauche ich weder Verständnis noch Nachsicht, weder Verzeihen noch Glauben an mich. Ich kann an der aktuellen, handfesten Verbesserung meines Lebens erkennen, dass die Verminderung von Selbst-Bezogenheit und die Verminderung der animalischen Instinkte ein erfolgreicher Ansatz zum Frieden ist, den jeder für sich selbst unternehmen kann.

RESPONDENT: Das Geld regiert die Welt, so sagt man seit Jahrhunderten. Man erstrebt Erfolg, in Geldgrößen bemessen. Diese Geld-Sicht aktiviert, weltweit, aber macht borniert.

Die Geldwirtschaft ist ein großer Erfolg, nicht gegen das Reptilien-Hirn, aber gegen die natürliche generelle Neigung zur Ruhe und Bequemlichkeit.

Doch mit ihren Erfolgen sind nicht alle Aufgaben gelöst. Im Gegenteil, sie brachte und bringt uns zusätzliche. Und es ist zweifelhaft ob es gelingt, dass Streben nach dem schnellen Geld noch rechtzeitig zu mildern oder zu zähmen, ehe Mütterchen Erde vollends übervölkert und ruiniert ist.

VINEETO: Da hast du ein Thema angeschnitten, wo ich nicht ganz deiner Meinung bin. Ich sehe nicht Geld als das Problem, sondern den genetischen und automatischen Überlebensmechanismus jedes Menschen. Ich habe sechs Jahre in Indien gelebt, wo fast niemand auch nur genügend Geld zum Überleben hat und die Menschen da haben wahrlich mehr Probleme als z. B. die Europäer. Dieser Überlebensmechanismus treibt Menschen dazu mehr an sich zu raffen als sie zum bequemen Leben brauchen, sich gegeneinander abzukapseln, den anderen als Konkurrent oder Feind einzustufen wo genügend für alle da wäre, sinnlos zu reproduzieren wo schon genug Menschen an einem Fleck leben und Macht und Kontrolle über andere anzustreben wo man friedlich miteinander leben könnte.

Reichtum ist nicht das Übel – aber fast alle Religionen und Philosophien einschließlich der neuen Umweltreligion wollen uns davon überzeugen. Allerdings ist sinnlose Anhäufung von nutzlosen Gütern genauso dumm wie die Verleugnung von materieller Annehmlichkeit und Genuss. Arme Menschen sind weder edler noch glücklicher, im Gegenteil, sie haben nicht mal das Nötigste an Technik und Erziehung um einigermaßen zivilisiert, gesund, sicher oder glücklich zu sein.

Persönlich komme ich mit wenigen privaten Dingen aus und brauche relativ wenig Geld zum Leben, da das Leben so angenehm ist, dass alle möglichen Ersatzbefriedigungen überflüssig geworden sind. Trotzdem genieße ich meinen Computer, den neuesten Standard der Technik, ich genieße das elektronische Wörterbuch und das deutsche Grammatikprogramm, das ich auf Mausklick erreichbar habe. Ich genieße die Feinschmeckerlokale in unserer Urlaubsstadt für gelegentliche Mittag- oder Abendessen und für regelmäßige Kaffees und Kuchen. Ich genieße die Leute, die es sich finanziell erlauben können hier Urlaub zu machen und die ‘Backpacker’ aus aller Welt, da sie unserer kleinen Stadt eine Atmosphäre von erholten glücklichen Menschen geben. Es macht das Leben so viel einfacher wenn man nicht jeden Pfennig dreimal umdrehen muss – und gleichzeitig wenn man mit wenigen ausgesuchten finanziellen Vergnügungen zufrieden sein kann. Es befreit von Geldsorgen, und ich kann mich anderen, interessanteren Themen zuwenden.

Die andere Geschichte ist ‘Mütterchen Erde’. Ich sehe nirgendwo dass die Erde in Schwierigkeiten wäre. Die Erde existiert seit zig Millionen oder Billionen von Jahren und hat nachweislich Veränderungen hinter sich, wogegen die globale Erwärmung von vielleicht ½ - 1 Grad Celsius mit einer leichten Hitzewelle vergleichbar ist. Nein, die Sorge der Menschen für ‘Mütterchen Erde’ ist die Sorge für ihr eigenes Überleben, oder das ihrer Großenkel, zusätzlich dekoriert als eine Art religiöser Verehrung für die vermeintliche göttliche Natur der Erde und stellt sich daher da als eine Sorge für ein personalisiertes seelisches Wohlbefinden unseres Planeten. Man könnte sagen, dass alte Urzeit Religionen eine Wiederauferstehung feiern, die Sonne, Mond, Sterne und Naturkräfte als Götter verehrten.

Die ursprünglich wohlfundierte Sorge über Umweltverschmutzung in Industriezentren in den 70er und 80er Jahren ist von dieser religiösen Bewegung weitgehend übernommen worden in einem Ausmaße, dass man jetzt Dritte Welt Ländern im Namen von Umweltschutz die dringend notwendige technische Entwicklung verweigert. Überall auf der Welt versuchen Umweltschützer anderen, wesentlich ärmeren Menschen, ihren lebensnotwendigen Unterhalt zu verbieten oder sie von ihrem Land zu vertreiben, weil Tiere als wichtiger angesehen werden denn menschliches Überleben oder Wohlbefinden.

Elefanten trampeln über das Land afrikanischer Farmer; die Hütten von Schlangenjägern werden von Tierschützern angezündet, weil diese Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen; Walfänger von Alaska verlieren ihr tägliches Einkommen; ein indisches Dammprojekt wurde abgebrochen, das Menschen notwendiges Trinkwasser und Elektrizität geliefert hätte, da er die kostbare Umwelt verändern würde; ein Massa Stamm wurde ohne Ersatz von seinem Land vertrieben und ist am Hungern, weil man es für Rhinozerosse und Löwen einzäunen wollte; Wölfe werden in Spanien wiedereingeführt in menschenbesiedelte Gegenden und Männer dürfen sich nicht gegen die bedrohlichen Biester zur Wehr setzen; Krokodile machen die gesamten nordaustralischen Gewässer unsicher und dürfen nicht geschossen werden; Tiger sind unter Naturschutz, obwohl sie die umliegenden Dörfer terrorisieren; menschenfressende Haie sind zu verehrten Fetischen erklärt worden... die Liste ist endlos wo Menschen anderen Menschen das Leben schwer machen im Namen ihrer speziellen Lieblingstiere.

Millionen von Dollars werden für gefährdete Tier- und Pflanzenforschung ausgegeben, die in Medizinforschung fließen könnten. Tierversuche für medizinische Zwecke wurden verboten und hindern damit die Erforschung neuer Heilmethoden zur Bekämpfung von weitverbreitenden Krankheiten.

Ich will damit auf keinen Fall sagen, dass du derartige Geschichten vertrittst oder unterstützest. Ich gebe hier einfach meine Beobachtungen zum Thema ‘Mütterchen Erde’ wieder und kritisiere die Haltung der Produzenten von Naturprogrammen, welche man regelmäßig im Fernsehen sehen kann und die eine solche selbst-bezogene Haltung zum Ausdruck bringen dass ich mich nur wundern kann ob wir auch wirklich auf demselben Planeten leben, auf dem 3 Billionen Menschen sich ernstlich ums tägliche Essen sorgen müssen.

RESPONDENT: Der Brief war für mich eine wertvolle Lektüre auch nach mehrmaligen Lesen.

VINEETO: Es würde mich lebhaft interessieren, inwieweit die Lektüre dir von Nutzen war oder weitergeholfen hat. Eine Rückmeldung ist immer eine hilfreiche Sache, vor allem wo ich über Dinge schreibe die man als Pionierzeug ansehen kann.

Ich könnte sagen, dass es mein Lebenswerk ist, experimentell einen Weg zu erforschen, und zu beschreiben, der ‘unzerstörbare Harmonie’ und Frieden erreicht mit anderen – nicht als eine Phantasie und ein Gefühl von Glück und innerem Frieden, wie es die spirituellen/religiösen Lehren anbieten, sondern Frieden im täglichen Leben, mit Menschen wie sie sind und in der Welt wie sie ist. Es ist eine interessante und lohnende Aufgabe und ich habe das Glück es mit einem Partner zusammen zu unternehmen, der genauso aufrichtig und mit ganzem Herzen dabei ist wie ich.

RESPONDENT: Etwas rätselhaft bleibt mir noch Deine radikale Ich-Erneuerung und die erreichte ‘unzerstörbare Harmonie’ in der Zweierbeziehung. Eine gewisse Portion Skepsis war schon für die alten Griechen und Römer unverzichtbar, gleichsam als Gegenpol für lebensfördernde Illusionen. Es ist halt schwer, alles fein ordentlich auszutarieren. Du hast es weitgebracht, aber gibt es eine schließliche Klarheit und Sicherheit über das Ich, das Ich und Du, für den Menschen? Ich tendiere zu der Ansicht: nicht einmal für einzelne Personen, erst recht nicht für die Gesellschaft oder die Menschheit.

VINEETO: Ja, Skepsis ist für den Anfang auf jeden Fall besser als treuer Glaube oder Leichtgläubigkeit. Allerdings kann man auch in der Skepsis stecken bleiben und das hindert an der weiteren, praktischen Erforschung und Anwendung von neuen Erkenntnissen. Ein theoretisches ‘ austarieren ’ kann nur bis zu einem gewissen Grad von Nutzen sein, danach muss man ins Experimentierstadium übergehen, um zu sicheren Ergebnissen und zuverlässiger Klarheit zu gelangen.

Zum Thema ‘unzerstörbare Harmonie’, gebe ich dir am besten erst mal zwei Paragraphen aus Peters Buch in denen er unser Zusammenleben beschrieben hat –

Peter: Was für eine Freude mit einer Frau in behaglicher Partnerschaft zusammenzuleben, wo ich einfach ich selbst sein kann ohne Vortäuschungen, ohne Anstrengung, ohne Kompromiss, ohne Feilschen, ohne Bindung. Ich lebe mit ihr weil ich ihre Gesellschaft genieße in all den Dingen die wir zusammen unternehmen, einfach weil sie da ist. Es ist ein Vergnügen sie als Partner um mich zu haben. ‘Es ist gut dass du da bist’ ist unser Lieblingsausdruck zueinander. Leute um uns herum denken wir seien verliebt, (wenn sie wüssten!), und dass sich das, wie immer, abnützen wird, oder wir seien Seelenfreunde und hätten den ‘Richtigen’ wie durch ein Wunder gefunden. Was wir in unserer Partnerschaft erfahren ist das direkte Ergebnis eines beiderseitigen hart-gewonnenen Bemühens und nicht ein vom Schicksal bestimmtes Ereignis. Es ist töricht sich Sorgen zu machen ob es für immer hält oder ob, unter veränderten Bedingungen, einer von uns zukünftig vielleicht einen anderen Partner haben wird. Ich lebe mit ihr, als ob es für immer wäre, total, ohne den geringsten Zweifel – hundert Prozent.

Kein emotionales Übereinkommen bindet uns, und weil wir frei sind zusammen zu sein gibt es kein Gefühl der Trennung. Tatsächlich keiner von uns ist Teil von, oder identifiziert mit, den Lagern von Männern und Frauen; wir haben uns komplett vom Kampf der Geschlechter entfernt und werden deswegen von beiden Geschlechtern als Verräter angesehen. Scheinbar ist man angehalten auf ewig für sexuelle und geschlechtliche Gleichheit zu kämpfen, und einfach den Kampf aufzugeben wird als ein Akt äußerst törichter Naivität angesehen. Wir leben einfach als zwei menschliche Wesen zusammen und es ist köstlich die Zeit miteinander zu verbringen im Gespräch, beim Einkaufen, beim Fernsehen, beim Essen, und natürlich im gemeinsamen sinnlichen Genuss von Sex. Es ist alles so einfach, friedlich, harmonisch und gleichberechtigt. Ich kann es nicht hoch genug empfehlen, beide Seiten des Geschlechterkampfes im Stich zu lassen. Peters Journal, ‘Living Together’

Der erste Schritt zur Harmonie bedeutete für mich aufzuhören den anderen, oder irgend etwas außerhalb von mir dafür verantwortlich zu machen wie es mir geht. Wenn mich etwas ärgerte oder ungeduldig machte oder mir etwas Angst machte usw., dann sah ich es ausschließlich als meine Aufgabe an damit umzugehen. Das heißt, ich bin verantwortlich für meine Stimmungen und Gefühle und demzufolge untersuche ich wie es mir geht und warum, selbst wenn der andere diese Gefühle ausgelöst hat. Es geht mir nicht darum den anderen zu ändern, weder in der Partnerschaft noch irgendwen anderen, sondern dafür zu sorgen dass ich herausfinde warum bestimmte Worte, Gesten oder Aktivitäten bestimmte Reaktionen in mir auslösen.

Wenn diese Grundregel verstanden, akzeptiert und angewandt wird, dann kann es großen Spaß machen, seine Gefühle und Gedanken zu der jeweiligen Eigenuntersuchung eines bestimmten Themas mit dem Partner zu teilen, sozusagen als Denkhilfe, nicht als Einmischung oder Anfrage für Lösungen. Nur ich kann wissen warum mich eine bestimmte Sache unruhig, traurig, grantig oder wütend macht. Statt auf meinem ‘guten’ Recht zu diesem Gefühl zu beharren, die erste automatische Reaktion jedes Menschen, habe ich mich entschieden, die Gründe und Ursachen zu untersuchen, die meine automatischen Reaktionen erzeugen, damit ich mich davon befreien kann. Bei dieser Übung ist es unerlässlich sich zu erinnern, dass die untersuchte Reaktion nicht persönlicher Fehler ist, sondern Teil des genetisch-instinktives Erbteils das notwendigerweise mit moralischen und ethischen Regeln überlagert wurde. Dieses Erbteil ist mehr oder weniger gleich in allen Menschen, die menschliche Natur. Es ist daher nicht eine Frage persönlicher Schuld für eine bestimmte Reaktion, sondern die Haltung ist eher dass man eine wissenschaftliche Untersuchung der eigenen Psyche unternimmt, um die vor- und nach-geburtliche Programmierung zu erforschen und aufzulösen.

Der zweite Trick ist, wie ich weiter oben schon andeutete, seine eigene Person, eher sein Bild von sich selbst, nicht so wichtig zu nehmen. Schließlich ist es die eigene Psyche, das was man denkt und fühlt zu sein, die man hier untersucht, und es kann manchmal ziemlich seltsam erscheinen sich selbst auseinander zu nehmen – um es milde auszudrücken. Dieses Selbstbild und Selbstgefühl stellt sich jedoch mehr und mehr als bloßes, allerdings gefühlsmäßig basiertes, Konzept heraus und hat mit physischen Tatsachen nichts zu tun. ‘Man bricht sich kein Bein dabei’, um ein altes Sprichwort anzuwenden. Und das ist genau der Grund, warum man dieses Selbst-Konzept vermindern und sogar ganz loslassen kann. Noch ein Sprichwort kommt in den Sinn – ‘ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert’ – der Ruf ist allerdings der ‘Ruf’ den man von sich selbst hat.

Auf diese Art und Weise habe ich nach und nach alle Hindernisse beseitigt, die einem harmonischem Zusammenleben im Wege standen, und Peter hat dasselbe für sich getan. Wenn man etwas tiefer gräbt, kommen die intensiveren instinktive Gefühle und Erfahrungen an die Oberfläche, aber das führt in diesem Brief zu weit. Die Methode ist jedoch weitgehend dieselbe – ich untersuche in mir was mich hindert in diesem Moment glücklich und ohne Arg zu sein. Und das Ergebnis ist erstaunlich.

VINEETO: Der Brief ist jetzt schon so lang, dass ich diesmal wenig zu den beigelegten Artikeln sagen möchte. Der ‘Kunst des Liebens’ von Erich Fromm habe ich gewissermaßen unsere Methode zu einem friedlichen und harmonischen Zusammenleben gegenübergestellt. Der Artikel über Christentum und Gewalt ist sehr interessant, allerdings würde ich darauf hinweisen, dass Religion nicht der Ursprung der Gewalt ist, sondern dass sowohl Religion als auch diverse Ausübungen von Gewalt ihren Ursprung in den instinktiven Trieben, z. B. im Aggressions- und Herdentrieb haben. Religion ist ein Kapitel für sich, der allgegenwärtige Glaube an Gott in der einen oder anderen Form ist eine getrennte Untersuchung wert.

Luftverschmutzung in den Oststaaten ist ganz sicher noch ein ungelöstes Problem, diese Länder sind durch Kommunismus und ihre Anstrengung im kalten Krieg zwei bis drei Jahrzehnte ins finanzielle Hintertreffen geraten und sehen sich heute Problemen gegenüber, die der Westen bereits angegangen hat. Aber ich denke, dass der Ostblock mit ein bisschen internationaler finanzieller Unterstützung sehr viel schneller aufholen könnte, was dem internationalen Handel, der Umwelt und dem Frieden nur gut tun könnte. Wenn ich Filmberichte über die russische Raumfahrtstation MIR sehe, bin ich immer erstaunt, wie weit sie es technisch mit ihren begrenzten finanziellen Mitteln gebracht haben.

Im allgemeinen kann ich sagen, dass ich immer wieder überrascht bin, wie gut die Welt, d.h. die Gesamtheit der Menschen funktioniert, in Anbetracht der Tatsache dass die menschliche Intelligenz durch das instinktive Programm so gehindert ist. Keiner hat die Kontrolle über alles, und trotzdem ist die technische und medizinische Entwicklung ungeheuer fortgeschritten, die Straßenbahnen fahren, Dinge werden repariert, die Läden sind voll guter Dinge, viele Dienstleistungen funktionieren erstaunlich gut und Regierungen der Länder bemühen sich um einigermaßen zivilisierte Kommunikation untereinander.

Ob ich mir persönlich Sorgen mache oder nicht wird die Welt nicht ändern. Aber wenn ich persönlich aufhöre Ärger, Missmut, Trauer, Depression, Vorwurf, Grollen, Angst oder Hilflosigkeit um mich zu verbreiten, ändere ich damit meine Umgebung, entlaste andere von der Bürde meiner Emotionen und trage damit zur Verminderung der psychischen Umweltverschmutzung bei. Es ist eine völlig sichere Methode für Frieden auf Erden, allerdings kann es noch fünfhundert oder tausend Jahre dauern bis genug Menschen interessiert sind, sich selbst zu ändern anstatt ihre Partner oder ihre Regierung oder ihre Religion.

Mit diesem Wort zum Mittwoch schließe ich für heute...

31.10.2001

[Editorial note: the English version of this particular letter can be found here]

VINEETO: Lieber ...,

Du sagtest am Ende deines Briefes –

[Respondent]: Pflegt Eure Lebensinhalte, sucht Euch gelegentlich auch eine neue Aufgabe. Nur Pasteten schmecken auf die Dauer nicht. [endquote].

Ganz gebe ich dir da nicht recht, da für mich jede Unternehmung – eine neue Aufgabe, eine wohlbekannte Arbeit oder Tage genussvollen Müßiggangs am Computer, im Garten oder vorm Fernseher – als ‚Pastete’ erfahren wird. Wenn man sich von seinen Sorgen und Ängsten, Ärger, Hoffnungen und Enttäuschungen befreit hat, ist jede Unternehmung ein Abenteuer und ein Vergnügen. Das ist der wirkliche Grund warum ich unsere Entdeckung wie man glücklich und harmlos lebt mit voller Überzeugung erfolgreich nenne.

*

VINEETO: Den Artikel aus der Frankfurter Rundschau vom 13.9.2001 zum Thema Terroristen-Jagd (Eine austauschbare Figur, Die Politik muss mehr tun, als einzelne Täter zu jagen) fand ich eher idealistisch-ideologisch als pragmatisch. Peter Lock, Friedens- und Konfliktforscher, wiederholt eine ganze Reihe von wohlbekannten z.Zt. gängigen Überzeugungen, die mit handfesten Tatsachen wenig zu tun haben. Zum Beispiel sagt er –

[quote]: Indem man nun Bin Laden jagt, gibt man vor, den Terrorismus zu bekämpfen. Dabei geraten die Ursachen von Terrorismus völlig aus dem Blickfeld, weil eine Beschäftigung mit ihnen die scheinbare Klarheit der unmittelbaren politischen und leider wahrscheinlich auch militärischen Reaktion stören würde. Mehr noch, man fragt nicht nach den gesellschaftlichen Bedingungen, in denen sich eine solche multinationale Operation effizient Terrorismus entfalten konnte. [endquote].

Meiner Meinung nach sind Leute, die einer anderen Gruppe von Menschen wahllos und um jeden Preis, einschließlich dem ihres eigenen Lebens, Schaden zufügen wollen, gefährliche Menschen bzw. eine gefährliche Gruppe, vor allem da ihr Führer über ziemliche Gefolgschaft und beträchtliche Mittel verfügt. Das Verhalten einer solchen Gruppe ist mit nichts zu entschuldigen, wie immer die politischen Verhältnisse ihres Landes, die Statuten ihrer Religion oder die Ideale ihrer gesellschaftspolitischen Philosophie aussehen mögen oder welches Unrecht auch immer sie denken ihnen zugefügt worden sei.

Anders formuliert, nur weil jemand beschlossen hat, mich zu hassen und umzubringen, muss ich nicht mich in seine Psyche einarbeiten um die spezielle Rechtfertigung für seine Aggression zu verstehen oder zu transformieren. Schließlich sind wir Menschen mit der Fähigkeit für Verstand und Bewusstheit und keine wilden Tiere und wenn mich jemand bedroht, dann rufe ich die Polizei, was immer die Rechtfertigung des Angreifers für seine Attacke sein mag.

Ferner sagt Peter Lock –

[quote]: Im Folgenden sollen mögliche Inhalte des gescheiterten Dialogs, der nun mit brutalen terroristischen Mitteln fortgesetzt wird, ausgeleuchtet werden. Dies steht in unmittelbarem Zusammenhang mit weltgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen, die offensichtlich eine operative Basis für Terrorismus sind. Zunächst gilt es sich zu verdeutlichen, dass die gegenwärtige Form wirtschaftlicher Globalisierung an den Interessen einer Mehrheit der Weltbevölkerung vorbeigeht. Die unerbittlich Polarisierung der individuellen Einkommen, die strukturelle Unfähigkeit, Hunger auf der Welt zu überwinden und schließlich die Erosion von Staatlichkeit und die zunehmende Bedeutung von Gewalt als Regulativ wirtschaftlicher Aktivitäten, die häufig zu kriegerischen Aktivitäten eskaliert, sind untrügliche Indikatoren. [endquote].

Ich weiß nicht was Peter Lock für eine Form von wirtschaftlicher Entwicklung im Kopf hat, aber entgegen weitverbreiteter Meinung ist mein Eindruck von den vielen verschiedenen Fernseh-Berichten die ich verfolgt habe, dass zunehmende Globalisierung und Welthandel außerordentlich hilfreich sind für die wirtschaftliche Entwicklung, vor allem für die unterentwickelten Länder. Wirtschaftliche Globalisierung bringt oft Arbeit in Gegenden die bisher nur Not kannte, bringt Information und Mobilität in entlegene Gebiete, fördert Produktion und Innovation, Kommunikation und Handel und gibt vielen Menschen die Möglichkeit mehr Geld zu verdienen und ein bequemeres Leben zu haben als ihre Eltern es je hatten.

Gesundheit und Erziehung in den unterentwickelten Ländern kann sich nur mit angehobenem ökonomischen Lebensstandard verbessern und ein Angehen der Überbevölkerung – einer der Hauptgründe für Hunger und Armut – ist nur erreichbar mit weitreichender Information, medizinischem Fortschritt und ökonomischem Aufbau. Von den Religionen kann man keine Unterstützung in Reduzierung der Überbevölkerung erwarten, da alle Religionen aus purem Eigeninteresse mehr Mitglieder gewinnen und produzieren wollen und daher einstimmig gegen jedwede Geburtskontrolle eingestellt sind – einer den wenigen Punkte in denen sich fast alle Religionen einig sind.

Abgesehen von der enormen Überbevölkerung in weiten Teilen der Welt hat‚die strukturelle Unfähigkeit, Hunger auf der Welt zu überwinden’ damit zu tun dass Menschen nicht viel anders als vor Tausenden von Jahren, außer mit besseren Waffen, andere Menschen aus territorialen, religiösen und stammes-politischen Gründen ununterbrochen bekämpfen und damit sowohl ihren eigenen ökonomischem Wohlstand als auch den ihrer Gegner unmöglich machen. In Anbetracht dessen ist es immerhin erstaunlich dass wenigstens ein Drittel der Welt den ausgezeichneten Wohlstand, die relative Sicherheit und die hochentwickelte Technologie genießt welche uns heute zur Verfügung steht.

Es ist eine Sache dass man seinen eigenen Überfluss und sein Wohlergehen mit anderen aus freien Stücken und zur Erhöhung der eigenen Freude teilen möchte, es ist jedoch eine völlig andere Geschichte, eine generelle moralische Verpflichtung aufzustellen den ‚Hunger auf der Welt zu überwinden’.

Im Moment sind die, welche ursprünglich die Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan attackierten, auf den Barrikaden weil die Amerikaner die Festen des einstmals als unterdrückerisch angesehenen Taliban bombardieren. Soweit ich die Berichte verstehe sind die Afghanen im Kampf miteinander und mit ihren verschiedenen Nachbarn soweit man zurückdenken kann. Der Hunger in dieser kargen Gebirgs-wüste ist ebenso alt wie die Geschichte des Landes. Der unüberwundene ‚Hunger auf der Welt’ hat in diesem Land nichts zu tun mit einer sogenannten wirtschaftlichen Globalisierung – dieses Land hat seit Jahrhunderten nicht viel anderes als Krieg gekannt.

Was ‚ die zunehmende Bedeutung von Gewalt als Regulativ wirtschaftlicher Aktivitäten’ angeht, ich denke dass Gewalt nicht zugenommen hat, sondern dass eher Information über Gewaltanwendung zugenommen hat. Peter Lock sagt nicht im Verhältnis zu welcher Zeit die ‚Gewalt als Regulativ’ zugenommen hat? Spricht er von den Wikinger Zeiten, von der Zeit als die Römer nach Norden zogen, als die Hunnen Europa überrannten, als der Hundertjährige Krieg stattfand oder von der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Seit wann hat seiner Ansicht nach Gewalt unter den Menschen zugenommen und wie ist das überhaupt möglich, wenn man sich die Geschichte der letzten zwei Jahrtausende anschaut? Seine Andeutung von ‚untrüglichen Indikatoren’ ist damit nur ein leerer rhetorischer Hinweis.

Es ist einfach, im Schlaraffenland einer reichen Nation zu sitzen und den Kapitalismus, den Welthandel und die wirtschaftliche Globalisierung zu attackieren und für alle Übel der Menschheit verantwortlich zu machen. Wenn man jedoch genauer hinschaut und die persönliche antikapitalistische Weltanschauung beiseite legt, liegen verschiedenen Tatsachen auf der Hand. Reichtum und Geld erhöht im Großen und Ganzen die Lebenserwartung, das Wohlbefinden, die Gesundheit und die physische Sicherheit. Es sind Korruption, Gier, Rechthaberei, Aggression, Angst und krankhafte Konkurrenz, Gefühle, welche viele mit Geld und Reichtum in einen Topf schmeißen, welche das eigene Leben und das anderer zur Hölle machen. Aus diesem emotionalen Missverständnis anderen die Vorzüge von wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung zu versagen ist im wahrsten Sinne des Wortes kurzsichtig und selbstsüchtig.

*

VINEETO: Ist es in dem ganzen moralischen Schlamassel und ethischen Für und Wider wesentlich einfacher, erst mal Friedensforschung an der eigenen Person zu betreiben anstatt mit dem Finger auf die Fehler anderer zu weisen? Ein ‚Friedens- und Konfliktforscher’ der seinen Titel wert ist sollte zunächst einmal studieren wie man mit einer anderen Person in beständigem Frieden lebt, und was zu tun ist um diesen Frieden zu erzeugen und aufrechtzuerhalten. Ein Konfliktforscher sollte die Ursachen seiner eigenen Konflikte kennen lernen und aufs genaueste untersuchen da die Ursache von Konflikten bei jedem Menschen gleich sind – die instinktiven Überlebens-Triebe, die jedem Menschen innewohnen, mit denen jeder Mensch ohne seine eigene Schuld geboren ist, unser tierisches Erbe.

Solange dieses Erbe nicht anerkannt, untersucht und letztendlich ausgemerzt wird, kann Frieden nur mit der Pistole aufrecht erhalten werden – Polizei, Armee und ein starkes Gesetzessystem. Es sind nicht, wie allgemein angenommen, die gesellschaftlichen Verhältnisse welche Menschen aggressiv machen, sondern es ist die inhärente Natur eines jeden Menschen, die, wenn es hart auf hart kommt, jederzeit explodieren kann. Jeder kennt solche Momente aus eigener Erfahrung. Es ist daher sowohl sinnlos, als auch praktisch unmöglich, die Gesellschaft zu ändern, da die Menschen, die solch eine neue Gesellschaft formen würden, genau wie bisher von instinktiven Trieben geleiteten sind.

Peter Lock, Friedens- und Konfliktforscher.  Eine Austauschbare Figur. Die Politik muss mehr tun, als einzelne Täter zu jagen. Frankfurter Rundschau 13.9.2001

*

VINEETO: Der Frankfurter Rundschau Artikel vom 22.9.2001 von Dieter Lutz ( Die Terroranschläge sind auch eine Warnung – vielleicht die letzte ) liest sich wie eine apokalyptische Beschreibung. Unter dem scheinbar kaum reflektierten Einfluss seiner eigenen emotionalen Betroffenheit über die Angriffe auf das Welthandelszentrum bringt Dieter Lutz alles das unter einen Hut was ihm schon lange an der heutigen Weltsituation nicht gefallen hat. Er attackiert in wohlbekannter Art die westliche Gesellschaft, den Kapitalismus, die globale Erwärmung, die Ausnutzung der Ressourcen, den sogenannten Kampf der Mächtigen gegen die Armen, beschwört Superkatastrophen, chemische Waffenführung, Waldsterben, Ozonloch und Krieg ums Wasser. Welche Angst und Schuld auch immer er erzeugen konnte, hat er angeführt. Man könnte meinen er sitzt in seinem Ohrensessel und reibt sich die Hände, weil seine persönlichen Feinde, die ‚Mächtigen’ einen Schlag eingesteckt haben.

Aber sowohl Dieter Lutz als auch Osama bin Laden übersehen eine fundamentale Tatsache – es sind immer die Menschen wie du und ich, Wesen aus Fleisch und Blut, die unter Krieg und Terror leiden, nicht die abstrakten ‚Mächtigen’ oder die weiße Rasse oder bösen Reichen. Es waren Menschen aus Fleisch und Blut, die am Dienstag morgen zur Arbeit gingen, die plötzlich Opfer einer Attacke wurden, es waren Menschen aus 50 verschiedenen Ländern, Väter, Mütter, Söhne und Töchter, die abends nicht nach Hause kamen.

In einer Atmosphäre von Klassenkampf und ethischer Polarisierung, theoretischer Einschätzung und politischer Beurteilung kann der Konflikt nur vergrößert, erhitzt und ausgetreten werden, nicht vermindert oder aufgelöst. Meiner Ansicht nach schürt Dieter Lutz auf unverantwortliche Weise und zur eigenen politisch-emotionalen Befriedigung die Angst eines jeden Lesers mit den Worten –

[quote]: Bleibt angesichts des politischen Dilettantismus, gordischer Komplexität und dramatischer Zeitknappheit letztlich nur noch das Durchschlagen des Knäuels, also das Schwert des Alexander? Also Krieg? Und Diktatur? [endquote].

um dann mit Carl Friedrich von Weizsäcker zum Schluss zu kommen dass

[quote]: Der Weltfriede fordert von uns eine außerordentlich moralische Anstrengung. [endquote].

Er sagt auch in seiner abschließenden Zusammenfassung wie dieser sein Weltfriede auszusehen hat –

[quote]: Soll sich Sicherheitspolitik angesichts der Verwundbarkeit hoch entwickelter Gesellschaften, ja der internationalen Gemeinschaft insgesamt, nicht lediglich in Katastrophenmanagement und Katastrophennachsorge erschöpfen, so muss elf Jahre nach dem Ost-West-Konflikt endlich damit begonnen werden, eine Weltordnung zu bauen, die auf der Stärke des Rechts und seiner Durchsetzung ruht, Weltinnenpolitik betreibt und sich den Namen ‚gerechter Frieden’ verdient. [endquote].

Und wer ist der Präsident der ‚Weltordnung’ , wer entscheidet welches ‚Recht’ der ‚Weltordnung’ durchgesetzt wird, was sind die Regeln seiner ‚Weltinnenpolitik’ und wer entscheidet wessen Frieden ‚gerecht’ ist und wessen Frieden ungerecht ist? Wer sind die ‚Mächtigen’ von Dieter Lutzens Weltordnung? Und was passiert mit den Kritikern seiner ‚Weltordnung’ , Menschen wie Dieter Lutz?

Ich bin froh dass ich nicht die Aufgabe habe eine politische Lösung zu finden, denn meiner Ansicht nach gibt es keine allgemeine und keine dauernde Lösung und schon gar keine Weltordnungs-Lösung, sondern im Moment gibt es nur pragmatische Antworten von Menschen zu akuten Situationen.

Meine Lösung war, mir meiner eigenen ethischen und moralischen Werte, meiner sozialen und religiösen Weltanschauungen und der darrunterliegenden gefühlsmäßigen Triebe bewusst zu werden und sie nach und nach außer Kraft zu setzten. Der so erzielte Frieden ist unabhängig von der Gesellschaft in der ich lebe, unabhängig von den Gefühlen anderer und unzerstörbar. Es ist außerdem eine wesentlich einfachere Aufgabe als 6 Billionen Menschen zu ändern. Und diese Lösung kann jeder an sich anwenden, der Interesse hat glücklich und harmlos zu leben, jetzt, hier.

Viele Grüße

Artikel 2: Dieter Lutz. Die Terroranschläge sind auch eine Warnung – vielleicht die letzte. Stehen wir am Vorabend von Destruktion und Vernichtung? / Dieter Lutz über Fehler und Versäumnisse der reichen und Mächtigen Staaten. Frankfurter Rundschau 22.9.2001

10.6.2009

VINEETO: Lieber ...,

Vielen Dank für deinen langen Brief.

Du sagst dass du traurige Gedanken hast angesichts der unabweisbaren Einsicht dass das menschliche Leben begrenzt ist – eine sehr menschliche, verständliche Reaktion zu der Einsicht dieser Tatsache. Ich kenne sowohl tiefe existentielle Überlebensangst und tiefsitzenden Kummer aus eigener Erfahrung und muss zugeben dass es keine angenehme Erfahrung ist.

Und doch, wenn man mal die Gefühle beiseite legt und das Gegenteil – ewiges, immerwährendes Leben – betrachtet und in seinen Konsequenzen überprüft, wäre diese Alternative ein wahrer Alptraum. Wenn niemand stürbe, wäre nicht nur die Erde in Nullkommanix überbevölkert, sondern Veränderung wäre mehr oder weniger unmöglich weil alle ihr gegenwärtiges Leben zur Unendlichkeit weiterleben ohne die Möglichkeit jemals die Verantwortung abzugeben.

Wie du weißt habe ich lange Jahre in Indien verbracht (und für einige Jahre auch ihre Glaubensweise angenommen) wo die Gesellschaft an eine ewige Aufeinanderfolge von wiederkehrenden Leben glaubt. Die Folge dieses tiefsitzenden Glaubens ist eine allgegenwärtige Lethargie aktive Veränderung zu initiieren – man wartet lieber bis man in bessere Umstände geboren wird im nächsten Leben. Dieses angebliche ewige sich wiederholende Leben wird so sehr als Unglück betrachtet dass die sogenannten Weisen und Heiligen lehren was man angeblich tun muss um diesem ewigen Kreislauf von Tod und Wiedergeburt zu entgehen.

Sowohl Buddhismus als auch Hinduismus lehren man solle sich vom weltlichen Geschehen abwenden und sich nach innen zurückziehen und alles materielle als ‚nicht real’ betrachten und behandeln – mit dem Ergebnis dass das Land in Apathie und materiellem Elend und Schmutz versinkt.

Wenn du das Bild von Leben und Tod, Geburt und Sterben weiter ausdehnst, kannst du sehen dass das gesamte Universum auf Wandel, Entstehung und Vergänglichkeit aufgebaut ist und dass dieser ewige Wandel die ureigene Natur des Universums ist. Ohne diesen Wandel gäbe es keine Entwicklung, keine Evolution, keine Entwicklung von Mikroben zu mehrzelligen Lebewesen hin zu Säugetieren und Menschen. Junge Tiere und Kinder würden nicht existieren – nur unwandelbare tote Masse.

Ich will auf keinen Fall deine Gefühle über die Begrenzung deines eigenen Lebens herabsetzen – da wir Menschen die einzigen Lebewesen sind die sich ihres eigenen Todes bewusst sind, sind diese Gefühle unausweichlich. Ich will nur mitteilen dass ich für mich die Erfahrung gemacht habe dass ein Nachdenken über das Gesamtbild und das wundersame Wirken des materiellen Universum mein eigenes Leben und Sterben in den größeren Zusammenhang bringt und es hilft mir mein eigenes Leben mehr als Teil des ganzen Geschehens bewundern.

Tatsächlich macht die Begrenztheit des Lebens diesen heutigen Tag, diesen gegenwärtigen Moment um so kostbarer – einen Moment den ich nicht vertun will mit traurigen oder grollenden Gedanken und Gefühlen verderben will. Die Bewusstheit um die Begrenzung des Leben gibt jedem Tag seine eigene Tiefe, der Moment ist wertvoll gerade weil meine Zeit als Lebewesen begrenzt ist und weil sich meine Lebenssituation jeden Moment ändern kann.

So habe ich (langsam) gelernt mehr Aufmerksamkeit anzuwenden auf die Weise wie es mir jetzt geht, welche Gedanken und Gefühle sich einschleichen die mir einen Genuss dieses momentanen Augenblicks verdüstern oder verhindern und habe (langsam) gelernt, solchen ‚Spielverderber-Gefühlen’ weniger Gewicht und Wichtigkeit zu geben und dafür mehr mein Interesse auf die kleinen Freuden des Lebens zu konzentrieren – die Sonne auf der Haut, die warme Tee Tasse in der Hand, der Nachgeschmack eines guten Essens oder Getränkes, das Vogelgezwitscher oder das leise Murmeln des Kühlschranks – ich denke du verstehst was ich meine.

Je mehr ich jeden Augenblick meines Lebendigseins genieße um so befriedigender wird mein Tag und im Rückblick die vergangene Woche/Monat/Jahr und dementsprechend verringert sich das Gefühl dass ich das Leben verpasst habe. Im Gegenteil, jeder Tag ist so voll von Lebens-Anerkennung dass mein Leben schon jetzt, nach 55 Jahren mir viel länger und voller erscheint als ich es mir je erträumt hätte.

Natürlich erfordert dieser Ansatz eine Verschiebung in der generellen Lebens-Einstellung – weniger Fokus auf die Probleme und mehr Gewicht auf, und Interesse für, die Wunder des Lebens, wie es funktioniert, was alles im Spiel ist und wie viele sinnliche und fühlbare Eindrücke lebendig sein bietet.

Und bevor du sagen kannst das ist ein eigennütziger Ansatz – wenn jeder so glücklich und wohlwollend leben würde wie Peter und ich wäre die Welt wahrlich ein anderer Platz – ohne Krieg und Polizei, ohne Gier und Hunger, ohne Angst und Seelenschmerz. Ich weiß aus langjähriger Erfahrung, dass man tatsächlich die Wahl hat sorgenfrei und ohne jemanden Harm zufügend zu leben.

Herzliche Grüße

 

Vineeto’s & Richard’s Text ©The Actual Freedom Trust: 1997-. All Rights Reserved.

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